Lockheed »Hudson«

Ex-Bomber als Zivilversion und elektrisch

Reiner Treder hat ein Faible für Modellnachbauten, die man nicht alle Tage sieht. Dass es die naturgemäß nicht von der Stange gibt, ist dabei von eher untergeordneter Bedeutung – schließlich gehört unser Autor zu der Spezies Modellbauer, die den Umgang mit Holz und anderen Werkstoffen beherrscht und ein solches Modell nicht nur »from the scratch« bauen, sondern auch planen und konstruieren kann. Allerdings stellte er sich diesmal auch einer für ihn neuen Herausforderung: Zum ersten Mal sollte der Antrieb elektrisch erfolgen!

Hudson_1Was macht ein Modellflieger und Modellkonstrukteur, wenn er nach einem Fahrradsturz das linke Handgelenk mit einer Gipsschiene stillgelegt bekommt? Fliegen geht nicht, Basteln geht nicht – also setzt er sich vor den Computer und beginnt, nach langjähriger Pause wieder mal ein Modell zu konstruieren. Es sollte eine zweimotorige Maschine mit ca. 2,40 Metern Spannweite sein und – das war für mich als eingefleischtem Verbrenner-Fan eine ganz neue Herausforderung: Sie sollte elektrisch angetrieben sein.

Das Vorbild – militärisch
Meine Wahl fiel auf die Lockheed Hudson, die ich schon seit langer Zeit im Blick hatte. Die Maschine war ein leichter Bomber und ein Küsten-Aufklärungsflugzeug, das hauptsächlich vom RAF Coastal Command, aber auch von der US Navy, der USAAF sowie den verschiedensten alliierten Luftwaffen eingesetzt wurde. Basierend auf der Lockheed 14 Super Electra entwickelte Lockheed auf Bestellung der englischen Royal Air Force noch vor Beginn des Zweiten Weltkriegs die Hudson Mk. I. Der Erstflug fand am 10. Dezember 1938 statt. Bis 1942 wurden knapp 2.000 Maschinen der Baureihen Mk. I, Mk. II und Mk. III an die Royal Air Force geliefert. Rund 100 Hudson Mk. II und IV wurden an die australische RAAF ausgeliefert.

Das endgültige Vorbild – zivil
Bei meiner Suche nach einer schönen Bemalung und weiteren Unterlagen stieß ich im Internet auf eine für mich außerordentlich interessante australische Homepage (www.adastra.adastron.com), auf der sich eine Abbildung einer wunderschönen Hudson in Zivilbemalung befindet. Ich war begeistert, hatte ich doch bis dahin nicht gewusst, dass der Bomber nach dem Krieg auch für zivile Zwecke eingesetzt wurde. Auf dieser Seite mit ihren vielen Buttons und Hunderten von Seiten wird die Historie der Fluggesellschaft ADASTRA AERIAL SURVEYS, die von 1930 bis Ende der 1970er Jahre in Australien ihr Geschäft mit Luftfotografie, Luftvermessung und -überwachung machte, erzählt.

Ich klickte natürlich sofort die Hudson-Seiten an und fand mit der VH-AGS die Maschine, die mir für den Bauplan und für das Design als Vorlage dienen sollte. Alle sieben Hudson von ADASTRA, ursprünglich als Bomber bei der RAAF (Royal Australien Air Force) eingesetzt, waren auf Umwegen Anfang der 1950er Jahre für wenig Geld dort gelandet und für den zivilen Einsatz entmilitarisiert worden. Praktisch für mich, denn so brauchte ich den komplizierten Geschützturm auf dem Rücken der Hudson nicht zu bauen.

Die VH-AGS wurde bei ADASTRA am 1. Juli 1953 in Dienst gestellt und am 6. April 1973 stillgelegt. 1976 wurde das Flugzeug von einem gewissen Malcolm Long erworben und nach Point Cook geflogen. 1984 wurde das Flugzeug auf dem Straßenweg nach Moorabbin überführt. In den folgenden Jahren wurde die Maschine restauriert und in den militärischen Urzustand zurückversetzt. Im Jahr 1993 bekam die Hudson nach der Restauration ihre neue Kennung A16-112/KO-Y (den alten 2. Sqn. Code aus dem II. Weltkrieg) und wurde das erste Mal wieder geflogen. Am 6. Dezember 2003 wurde sie nach Temora, New South Wales, überführt. Dort ist sie bis heute im Temora Aviation Museum ausgestellt und wird regelmäßig auf den Flugtagen des Museums im Flug präsentiert.

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Konstruktion und Bauplanung
Nachdem die Sache mit dem Vorbild geklärt war, machte ich mich an die Planung. Dazu interviewte ich einige der »Elektriker« in unserem Club. Fragen wie: Welche Motoren, Regler und Akkus für die geschätzt neun bis zehn Kilo schwere Maschine die richtigen seien, mussten geklärt werden. Die Empfehlung der fachkundigen Freunde lief in Richtung Brushless-Outrunner-Motoren mit 250 bis 400 U/V, 6s-LiPo-Akkus mit 4.000 bis 5.000 mAh und Regler mit 80 bis 100 A. So hatte ich zumindest mal eine Richtschnur.

Logisch für mich als altem Holzwurm war eine ultraleichte Holzbauweise, wobei die Motorhauben natürlich aus GfK sein sollten. Ich begann also zu zeichnen, d. h. ich benutzte dazu, wie bei allen meinen bisherigen Eigenkonstruktionen, das Vektor-Zeichenprogramm Adobe Illustrator auf meinem Apple-Rechner. Als Profil für die Flächen hatte ich das altbewährte NACA 2415 mit 1,5 Grad Anstellung vorgesehen, für das Höhenleitwerk NACA 0010 mit 0,5 Grad Anstellung – also eine EWD von 1 Grad. Außerdem sollten die Flächen im Bereich von den Motorgondeln bis zum Randbogen eine Schränkung von 0,5 Grad bekommen. Als Vorlage für die originalgetreuen Proportionen und Umrisse dienten mir die Original-Zeichnungen des berühmten amerikanischen Zeichners William Wylam aus dem Buch »The best of Wylam«, das ich vor rund 25 Jahren in London entdeckt und erworben hatte.

Das Zeichnen ging schnell voran, und so konnte ich Mitte Dezember 2010 nach dem Ausplotten der zwei Bauplanseiten (Format 840 x 2.400 mm) mit dem Bauen beginnen. Um mir das lästige Pausen mit Kohlepapier vom Plan auf das Balsa- bzw. Sperrholz zu ersparen, wandte ich folgenden Trick an: Ich legte den Plan mit der Druckseite auf die Balsa- bzw. Sperrholzplatte und bügelte dann mit sehr heißer Einstellung des Bügeleisens die Konturen des entsprechenden Teils auf das Holz.

Der Rumpf
Mit meiner Hegner-Dekupiersäge galt es zuerst, die zehn Rumpfspantenhälften in Doppelung auszusägen. Anschließend baute ich direkt auf dem Plan eine Rumpfhälfte mit ihren Spanten, Leisten und einer Teilbeplankung (2-mm -Balsa) auf. Dann konnte auf dem gewendeten Plan und den mit Speiseöl sichtbar gemachten Konturen die andere Rumpfhälfte in gleicher Weise gebaut werden. Die beiden Rumpfhälften wurden dann zusammengefügt, indem die rechten und linken Spanten mit 2 mm starken Sperrholzaufleimern verbunden und verleimt wurden.

Nun konnte die restliche Balsabeplankung erfolgen. Eine aufwendige Arbeit, denn am Rumpf der Hudson ist alles, bis auf die Seitenwände mit den Fenstern, gewölbt, rund und gebogen. Ich musste da schon ziemlich exakt arbeiten, denn bei nur 2 mm Beplankungsstärke kann man hinterher zur Korrektur nicht mehr viel schleifen. Nachdem ich die 15 seitlichen Fenster aus dem Rumpf geschnitten hatte, stellte ich eben so viele dünne Fensterrahmen aus 0,8 mm starkem Sperrholz her und klebte diese zur Verstärkung der 2 mm dicken Rumpfwand von innen ein.

Fenster und Verglasung der Rumpfnase.

Fenster und Verglasung der Rumpfnase.

Die acht Fenster und die verglaste Nase in der Rumpfspitze verstärkte ich in gleicher Weise. Über die abnehmbare Kabinenhaube sollte der bequeme Zugang zu den Empfängern mit einigen Servos und dem Fahrwerkventil geschaffen werden.

Im Plan hatte ich nur die äußeren Umrisse der Haube und Kabinenverglasung gezeichnet; jetzt galt es, das Ding zu bauen. Ziemlich kompliziert, aber bald hatte ich auch das geschafft.

Die beiden Seitenleitwerke sind abnehmbar ausgeführt, ebenso das Höhenleitwerk als Ganzes.

Die beiden Seitenleitwerke sind abnehmbar ausgeführt, ebenso das Höhenleitwerk als Ganzes.

Das Leitwerk
Das Scheibenleitwerk mit seinen beiden charakteristischen Seitenleitwerken baute ich klassisch ultraleicht aus Balsa und leichtem Sperrholz. Die Beplankung erfolgte mit 1,5 mm starkem Balsaholz. Das Höhenleitwerk gestaltete ich vom Rumpf abnehmbar mit einem Buchen-Rundholzdübel und Befestigung mit einer Kunststoffschraube (Bild 4). Die beiden Seitenleitwerke baute ich ebenfalls abnehmbar: Sie werden mit einer Sperrholzzunge seitlich ins Höhenleitwerk eingeschoben und mit einer kleinen Schraube gesichert (Bild 5). Im gesamten Leitwerk platzierte ich vier kleine hochwertige 11-mm-Servos, für jedes Ruder ein Servo …

Reiner Treder

Einen ausführlichen Bericht über die Flugerfahrungen lesen Sie in der Ausgabe 2/2013 des MFI Magazins

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